Das Kampfgericht zählt alles

Punkte, Fouls, Rebounds – auch noch geteilt in offensive und defensive, Steals, Turnover, Assists, Zwei-Punkte-Treffer, Drei-Punkte-Treffer, versuchte und erfolgreiche Würfe, versuchte und erfolgreiche Freiwürfe, geblockte Würfe, Einsatzzeit sekundengenau und auch noch die Wurfpositionen. In wohl keiner anderen Sportart wird so viel gezählt, notiert und protokolliert wie im Basketball. Dass am Ende alles stimmt, dass jedes Statistikdetail auch Spielern zugeordnet ist, dafür stehen die Mitglieder des Kampfgerichts, das jeweils von der gastgebenden Mannschaft gestellt werden muss. Gezählt werden die einzelnen statistischen Kategorien sowohl für die eigene als auch für die gegnerische Mannschaft. „Fehler sind nicht erlaubt“, sagt Susan „Susi“ Wilop, die Chefin des MBC-Kampfgerichts.

Hochkonzentriert über das gesamte Spiel hinweg – Blick auf das Kampfgericht mit Chefin Susi Wilop. Foto: Simon-Werbung

Sie hat ihn live spielen sehen, den wohl berühmtesten deutschen Basketballer Dirk Nowitzki. Das war noch in der Weißenfelser Westhalle vor rund 20 Jahren. Der Name Mitteldeutscher Basketball Club war noch nicht erfunden. Es war ein Zweitligaduell zwischen dem SSV Einheit Weißenfels und DJK Würzburg. Da lief der 18-jährige Dirk Nowitzki für Würzburg auf, der nur wenige Jahre später eine für einen europäischen Spieler beispiellose Karriere in der NBA machen sollte. Gerade, wenn die Würzburger zum Punktspiel nach Weißenfels kommen, wie am kommenden Sonntag, erinnert sich Susi Wilop daran.

Sie kann es kaum fassen, dass sie so lange schon dabei ist und von den Stühlen des Kampfgerichts aus das Geschehen auf dem Parkett verfolgt. Und das ist nicht einfach nur hingucken.  „Das verlangt volle Konzentration, damit am Ende alles stimmt“, sagt sie. Manche Szene, die nichts mit der Statistik zu tun hat, zum Beispiel dieser oder jener schlaue Pass, entgeht ihr, „aber das ist eben so, ich muss das Spiel mit etwas anderen Augen sehen“, sagt Susi Wilop. Für sie ist wichtig, dass sie die Punkte exakt erfasst und die Fouls. Die Chefin des MBC-Kampfgerichts hat zugleich die Funktion des Schreibers, in ihrem Fall der Schreiberin. Jede einzelne der 40 Minuten Spielzeit und eventuell auch der Minuten in der Nachspielzeit müssen die Kampfrichter genau hinschauen, was auf dem Feld an dem passiert, was erfasst werden muss. „Das ist schon anstrengend, aber es macht mir und den anderen auch Spaß“, meint sie. Ohne den ginge es auch gar nicht.

Wenn so viel gezählt wird, das kann unmöglich einer allein machen. Acht Frauen und Männer gehören zu einem intakten Kampfgericht: der Schreiber, der Assistent, der Zeitnehmer für die Spielzeit, der Zeitnehmer für die 24-Sekunden-Uhr, zwei Scouter, die die vielen anderen Details registrieren, zwei, die alles in den Computer eingeben. Übrigens auch die Punkte, die Susi Wilop per Stift registriert. Aber genau dieses Protokoll zählt am Schluss auch, wenn es Differenzen zur Rechnereingabe geben sollte. Aber es reicht nicht aus, Tasten bedienen oder einen Stift schwingen zu können. „Wer ins Kampfgericht geht, sollte auch einiges vom Regelwerk des Basketballs verstehen“, sagt Susi Wilop. Die Handzeichen der Schiedsrichter zum Beispiel, damit das Foul dem richtigen Spieler zugeordnet wird oder damit er oder sie zwischen Drei- und Zwei-Punkte-Wurf unterscheiden kann. Wissen muss er auch, vor allem natürlich der 24-Sekunden-Zeitnehmer, wann die Angriffsuhr auf 24 oder auf 14 Sekunden zu stellen ist oder wann sie lediglich angehalten werden muss. Die Entscheidungen müssen blitzschnell fallen.

„Deswegen brauchen wir auch eine Lizenz als Kampfrichter“, erzählt Susi Wilop, die selbst seit Kindesbeinen Basketball spielt und heute noch beim SSV Einheit Weißenfels trainiert und spielt. Vor jeder Saison arbeiten sich die Kampfrichter durch einen 120 Fragen umfassenden Katalog. Schließlich müssen sie 25 Fragen daraus beantworten. 90 Prozent der Antworten müssen richtig sein, dann gibt es die Lizenz. Für Schreiber, Assistent, Zeitnehmer und den Bediener der 24-Sekunden-Uhr ist die Lizenz zwingend von der Liga vorgeschrieben. „Wir legen aber Wert darauf, dass alle die Lizenz erwerben, damit wir uns gegenseitig vertreten können, wenn es nötig ist“, sagt Susi Wilop. Nichts wäre peinlicher, als dass ein Spiel nicht stattfinden könnte, weil es an qualifiziertem Personal für das Kampfgericht fehlt. „So lange wie ich dabei bin, ist das allerdings noch nicht passiert“, sagt die Gerichtschefin. Dass es dennoch peinliche Situationen geben kann, weiß Susi Wilop allerdings auch. „Doof ist, wenn die Technik ausfällt, die Anzeigetafel erlischt und das System erst wieder hochgefahren werden muss. Dann schauen alle, vor allem auch die Zuschauer, zuerst auf das Kampfgericht. Da fühlt man sich dann gar nicht wohl in seiner Haut.“ Obwohl das Kampfgericht gar nichts dafür kann. Aber auch mit solchen Situationen muss man zurechtkommen.

Auch wenn bislang bei Susi Wilop und ihren Kampfrichterkolleginnen und -kollegen eigentlich immer alles geklappt hat, das schließt nicht aus, dass es schnell mal eine enge Kiste werden kann. Mit ihr, Andy Schlegel, Kai Schmidt, Karsten Langner, Jörg Keck, Ronny Winter, Max Tittmann, Jakob Glück, Ines Keck und Andreas Korch stehen zehn Namen auf der Liste mit den potenziellen Kampfrichtern des MBC. Viel Reserve gibt es also nicht, Nachwuchs wird dringend gebraucht. „Wer das mache will, der kann sich in unserer Geschäftsstelle melden, wir würden uns sehr freuen“, sagt MBC-Geschäftsführer Martin Geissler.

Da darf man übrigens ruhig auch Fan des MBC sein, sollte es vielleicht sogar, um sich die richtige Motivation für das Engagement zu geben. „Aber Vorsicht“, mahnt Susi Wilop, „während des Spiels darf man es nicht zeigen“. Emotionen und seien sie einer noch so guten Aktion des MBC geschuldet sind für die Kampfrichter tabu. „Wir müssen unparteiisch agieren, da passt auch der Technische Kommissar auf“, erklärt Susi Wilop.

(Kontakt zur Geschäftsstelle per Telefon unter 03443/34 73 90; E-Mail office@mitteldeutscherbc.de)