Es ist seine zwanzigste Saison im Wolfsbau, egal, ob der sich in der Weißenfelser Westhalle, in der Spergauer Jahrhunderthalle oder nunmehr seit mehr als 15 Jahr in der Weißenfelser Stadthalle befunden hat. Matthias Voss ist die Stimme im Wolfsbau, gibt die Aufstellung bekannt, sagt die Treffer und Fouls und die Auswechslungen an, aber vor allem reißt er die Fans von den Sitzen mit seinem Ruf: „Hoch mit euch!“
Es ist wohl der spektakulärste Wurf, den es beim Mitteldeutschen Basketball Club je gegeben hat. Im März 2002 lag der MBC in der Spergauer Halle (die Stadthalle war gerade im Bau) gegen Oldenburg 80:83 zurück. Die Norddeutschen feierten schon beinahe ihren Sieg, da ließ Donte Mathis 1,8 Sekunden vor Schluss fast von der Grundlinie aus den Ball fliegen und er landete in der Oldenburger Reuse. Ausgleich! Die Verlängerung endete 100:99 für den MBC. „Für mich bleibt das der beeindruckendste Wurf, den ich je gesehen habe“, erinnert sich Matthias Voss. 25 Meter war der Spieler laut Augenzeugen vom gegnerischen Korb entfernt, immerhin zwei mehr als Vassil Evtimov im Oktober 2010, als ihm im Spiel gegen Bayreuth ein ähnlicher Wurf gelang. (Video vom Evtimov-Wurf im Netz: http://bit.ly/2rQ0U9u)
Überhaupt ist Voss beinahe nichts entgangen in den zurückliegenden 20 Jahren im Weißenfelser Basketball: „Lediglich in der Saison 2003/2004 war ich nicht der Hallensprecher“, erzählt Voss. Leider war das ausgerechnet die Saison mit dem Gewinn des FIBA Europe Cups durch den MBC. „Aber ansonsten habe ich seit 1997 gerade mal fünf Spiele verpasst, weil ich krank war“, erzählt er. Geboren wurde er vor 49 Jahren in Hiddenhausen bei Herford in Nordrhein-Westfalen. 1994 zog er nach Göttingen und kam mit dem Basketball in Berührung. Dort las er später die Ausschreibung für ein Volontariat von Radio Brocken für Naumburg. Er bekam Anfang 1997 die Stelle und hörte von seiner Vorgängerin, dass es in der Region taufrisch einen Zweitliga-Verein im Basketball gab. „Ich war dann gleich darauf in der Weißenfelser Westhalle, fand Kontakt zur Vereinsführung des damaligen SSV Einheit und war kurz darauf Hallensprecher“, erzählt Voss. Hauptberuflich ist Voss bis heute als freier Journalist tätig, vornehmlich für die Mitteldeutsche Zeitung.
Auch wenn ihm als Hallensprecher eine gewisse Neutralität auferlegt ist, Voss ist ein Fan des MBC geworden. Wenn er die Stimmung in der Halle anheizt, dann nicht nur, weil das eben vom Hallensprecher erwartet wird, sondern weil er hinter dem Team steht. „Nur wenn der MBC den Ball über die Mittellinie bringt, dann muss ich die Klappe halten.“ Aber bis dahin animiert er die Zuschauer zum Aufstehe, zum Klatschen, zum Anfeuern.
Weil er so lange dabei ist und weil er eben auch Fan ist, hat er mit dem MBC alles durchgemacht, was es zu feiern oder auch zu leiden gab. Sechs Aufstiege hat er mitgefeiert, aber auch zwei Abstiege miterlebt. „Das waren bittere Tage auch für mich als Hallensprecher“, erinnert sich Voss. Besonders mitgelitten hat er allerdings bei einem Aufstiegskampf mit dem TV Lich in der Saison 1998/99. „Die damals unter dem Namen SSV Einheit Hagebau spielende Mannschaft hatte in Lich mit sechs Punkten gewonnen, alle waren überzeugt, dass sie im Heimspiel den Aufstieg in die Erste Bundesliga perfekt macht, aber der MBC verlor mit sieben Punkten Differenz.“ Durch den Rückzug des SV Oberelchingen rückten die Weißenfelser doch noch und erstmals in die Erstklassigkeit auf.
Voss hat aber auch viele Highlights miterlebt in den letzten Jahren. Die direkten Wiederaufstiege in die Erstklassigkeit verbunden mit der Meisterschaft in der Zweiten Bundesliga ProA gehören ebenso dazu wie grandiose Siege gegen Top-Teams: In der Saison 2009/2010 gab es in der Stadthalle zum Beispiel einen 81:75-Sieg gegen den späteren Meister Brose Bamberg und in der Rückrunde noch ein 71:69 gegen Alba Berlin. Oder vor zwei Jahren, als der MBC in der Arena Leipzig den hohen Favoriten Bayern München mit 93:90 schlug. Das sind Abende, an denen es besonderen Spaß macht, als Hallensprecher durch das Spiel zu führen, egal wie heiser Voss danach ist. Obwohl er sich die Ansagen in der Halle seit einigen Jahren ein wenig mit Radio-Brocken-Moderator Steffen Heuseler teilt, geht er ohnehin fast jedes Mal heiser nach Hause. Aber jeweils bis zum nächsten Heimspiele ist die Stimme im Wolfsbau wieder klar.